LAURA KALAUZ UND MARTIN SCHICK
CMMN SNS PRJCT
Der sensus communis (engl. common sense), dessen Bedeutung seinen Ursprung bei Aristoteles hat, ist seit der Antike ein immer wieder aufgegriffenes Thema in der Philosophie. Die Bedeutungslegung ist zwar unter den Philosophen und später auch Psychologen und Soziologen variabel, doch bezieht sich der Begriff letztlich immer auf den normativen Gemeinsinn.
Der Ausdruck „gesunder Menschenverstand“ oder auch „Hausverstand“ wie der common sense heute häufig verwendet wird geht dabei im Grundsatz von Kants Theorie der reinen Urteilskraft aus. Diese zu bewerten ist meist nicht immer einfach, da das Motiv mancher Handlungen, die als moralisch hochwertig gelten nicht immer klar ist. Wenn wir spenden, ist das zwar als wohltätig zu bewerten, doch bleibt die Frage offen, ob wir spenden weil es uns der Sinn für das Gemeinwohl sagt oder einfach um unser Gewissen zu beruhigen und uns gut zu fühlen. Denn wenn man alles hat, dann fehlt letztlich häufig nur noch das Gefühl auch ein guter Mensch zu sein, das wir mit einer kleinen Spende wie fast alles andere ganz einfach kaufen können.
Mit diesem Thema setzen sich Laura Kalauz und Martin Schick in ihrer Produktion CMMN SNS PRJCT (common sense project) auseinander. Anfangs nur in Unterwäsche bekleidet stehen die beiden Akteure vor einer mit unterschiedichen Gegenständen bestückten Theke. Auf die Frage „who wants this?“ verteilen sie die Güter an das Publikum.
Nachdem ich die Frage akustisch falsch verstanden und gemeint habe, die Frage laute „whats this?“ rufe ich erst mal heraus: „Schwämme“. Als Martin Schick mir die Spülutensilien daraufhin in die Hand drückt, erkenne ich das Missverständnis und nehme das Geschenk verlegen an. Nachdem ein Großteil der Waren auf die Zuschauer aufgeteilt ist dreht sich der Spieß um und sie fragen in die Menge ob nicht jemand ein T-Shirt, eine Hose, Schuhe, Krawatte etc. für sie habe. Sei es nun leihweise für etwa eine Stunde oder im Sinne eines Handels gegen Geld. Mit den Kleidern der Theaterbesucher ausgestattet beginnt nun die Demonstration der Geldvermehrung.
Aufgrund einer blutenden Nase nach einem Schlag seiner Kollegin fragt Martin Schick uns nach einem Taschentuch. Doch so großzügig er zuvor auch mit seinen Geschenken war, so steht bald fest, dass er selbst keine annimmt. Um 20 Cent will er das Taschentuch einem Besucher abkaufen. Da er jedoch kein Geld bei sich hat, borgt er sich die Münze von einer anderen Besucherin mit dem Versprechen, dieser die doppelte Menge zurückzugeben. Um dies in die Tat umsetzen zu können muss er sich jedoch wiederum von jemanden nun bereits 40 Cent borgen. Dieses Spiel setzt sich so lange fort, bis er einer Zuschauerin nun 15 Euro schuldet die er mit einem Zettel als Schuldschein erst mal zufrieden stellt.
Interessant finde ich unter anderem auch einen Dialog über Eigentum und die Frage, wann man behaupten kann, dass man der rechtmäßige Eigentümer einer Sache ist. Das Gespräch kommt zustande als Laura ihre Kaffeemaschine vermisst und im Glauben daran, dass jemand im Publikum sie habe, mit ihrem Kollegen darüber diskutiert warum sie im Recht ist, wenn sie behauptet es sei ihre Maschine. Ihr Argument, dass sie nun schon seit einiger Zeit ihren Kaffee damit brüht und somit die Rechte daran besitze bringt Martin zur Gegenfrage:“ Gehört denn die Straße in der ich wohne auch mir, weil ich sie schon seit einiger Zeit benütze?“ Und warum gehören gewisse Dinge der Allgemeinheit und manche nur einer bestimmten Person? Wo ist die Grenze zwischen öffentlichem Gut und Privatbesitz? Und wem gehört eigentlich die Welt?
Im Verlauf des Stückes kommen verschiedenste Darstellungen von Kommunikation untereinander, Gewinnspielabläufen und Aktionen des Handels die an wirtschaftliche Prozesse anlehnen zur Schau. Sei es nun eine Auktion bei der man die Rechte an ihrem Stück erwerben kann, ein Ratespiel bei dem Passagen aus Büchern oder Filmen erkannt werden müssen, der anfangs schon erwähnte Handel mit Kleidungsstücken und Gegenständen oder die Entscheidung darüber, was mit dem Geld passiert das nach einer Kostenrechnung übrig bleibt.
Was halten wir für angemessen?
Sollten die Künstler das übrig gebliebene Geld bekommen?
Wird das Geld in eine Party in Argentinien investiert?
Will das Publikum auch davon profitieren und sich auf ein Getränk in der Brut Bar einladen lassen?
Legen wir das Geld in die Mitte des Raumes und sehen was passiert wenn wir das Licht ausmachen und ein wenig warten?
Nach einer demokratischen Abstimmung kommt es schließlich zur Lösung, dass das Publikum mit seinem Gemeinsinn entscheidet, das Geld für ein Getränk an der Bar auszugeben was auch das Ende der Inszenierung darstellt.
Die Produktion von den aus Argentinien und der Schweiz stammenden Künstlern stellt interaktives Theater dar, das ohne aktive Handlungen von Seiten des Publikums nicht funktionieren würde. Wenn es auch ein allgemeines Merkmal des Theaters darstellt, dass jede Aufführung einzigartig ist, so gewinnt die Feststellung in diesem Fall noch einmal an Bedeutung, da jedes Publikum unterschiedlich auf die Interaktion reagiert und die Künstler dadurch auch spontaner reagieren müssen was Martin Schick bei einem kurzen Gespräch nach der Vorstellung auch bestätigt.
(Maria Rauch)