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Gleichförmigkeit an einem romantischen Nachmittag

14 Apr

Generation der anonymen Küsser

13 Apr

Wie war das nochmal? Jeder erinnert sich an seinen ersten Kuss. Das mag vielleicht stimmen, aber nach den ersten Erfahrungen mit der Zungenakrobatik werden die Erinnerungen an manche spätere Kusserfahrungen wohl immer verschwommener. Es scheint ein Zeichen unserer Zeit zu sein, dass das Küssen zur anonymen Sache geworden ist und häufig eine Nebenbeschäftigung zwischen reden, tanzen und trinken bei Parties ist. Manchmal fällt einem erst später ein, dass man am Vorabend einer fremden, oder auch flüchtig bekannten Person für eine kurze Zeit physisch näher war, als man der selben Person in einem anderen Kontext je sein würde. Als erinnerungswürdig, intim oder bedeutend empfinden wir diese Küsse meist nur dann, wenn eine gewisse Verliebtheit, die zum Glück hin und wieder doch eng mit dem Thema verknüpft ist, ins Spiel kommt.

In Romantic Afternoon von Verena Billinger und Sebastian Schulz wird dem Publikum genau dies vor Augen geführt. Drei Frauen und drei Männer stehen sich erst gegenüber und kommen sich langsam näher. Erst nur zaghaft, ein Paar nach dem anderen. Sie beginnen sich zu küssen. Ein Dritter löst seinen Konkurenten, beziehungsweise Kollegen ab. Mit fortlaufender Zeit werden die Küsse immer intensiver. Die Paare berühren sich, tauschen ab und an die Kleider, küssen sich zu zweit, zu dritt, zu viert oder alle zusammen. Wenn gerade kein Partner in der Nähe ist, scheint sie das auch nicht zu irritieren und sie küssen die Luft, während sie zärliche Armbewegungen ins Leere machen.

Nachdem man seinen vorhandenen oder oder auch nicht vorhandenen Voyorismus ausleben und das ganze Schauspiel beobachten kann wartet man auf eine Aktion. Man weiß nicht worauf genau. Aber irgendwas muss doch passieren…? Das Warten ist vergeblich. Die einzige Dramaturgie des Stückes entsteht durch die ansteigende Intensität der Küsse und des Tanzes zum 80er Jahre Hit „Fred vom Jupiter“ am Schluss.

Die einstudierte Choreografie ist zwar erkennbar und keineswegs unästhetisch, aber doch fehlt es der Performance gänzlich an Interessenserweckung. Obwohl die Bewegungen und Handlungen der Künstler leidenschaftlich und lebendig vollzogen werden, wirken die Aktionen irgendwie leblos und mechanisch. Dies ist möglicherweise auch ganz bewusst so gestaltet und demonstriert gerade die Anonymität der „overkissed“ Generation, aber es verleiht dem Stück dadurch leider einen ziemlich langweiligen Ablauf. Das Statement, das ich einerseits als Verdinglichung von Zuneigung und Intimität und andererseits als Veranschaulichung von Voyorismus und damit verbunden die zurschaustellung von privaten Abläufen im öffentlichen Raum verstanden habe, wurde mit der Kussaktion zwar am Ansatz gut umgesetzt, jedoch haben die Künstler meiner Meinung nach zu wenig aus dem Thema herausgeholt. Vielleicht liegt mein Gefühl der Langeweile während des Stückes aber einfach nur daran, dass Küsse zwar aus der Perspektive der aktiven Teilnehmer großartig sind, als passiver Zuschauer jedoch relativ uninteressant.

(Maria Rauch)

 

Küss und Lieb dich selbst…

13 Apr

Die Dramaturgie wurde aus dem Stück gezogen. Die Zeit verging ungewöhnlich langsam. Ich fragte mich nur noch:

Ist die Welt wirklich schon so in einer oberflächlichen LEERE verkommen, dass einem „Künstler“/einer „Künstlerin“ nichts TIEFGRÜNDIGES mehr einfällt?

Mein Statement: Küss dich selbst. Lieb dich selbst und dann küss und liebe andere Lebewesen und die Welt!

 

Liebe zuerst dich selbst – Sri Bhagavan from oneness videos on Vimeo.

 
Die ausführliche Kritik zum Abend findet ihr hier.

Romantisch ist anders …

13 Apr
Da man während der Performance ROMANTIC AFTERNOON* von Verena Billinger und Sebastian Schulz sehr viel Zeit zum nachdenken hatte, habe ich meine Gedanken niedergeschrieben und möchte diese gerne mit euch teilen.
Was mir während dem Stück so in den Sinn gekommen ist: 

  • Zum Küssen braucht man zwei. Sonst sieht es doof aus.
  • Die anderen sind die Voyeure.
  • Wer will mitmachen?
  • Ein dritter zerstört immer die Beziehung.
  • Die eine wird ganz schön durchgereicht.
  • Wie das wohl schmeckt?
  • Küssen sieht nicht unbedingt ästhetisch aus.
  • Im Leben küsst man schnell mal jemanden. Wie viele Personen habe ich eigentlich schon geküsst?
  • Küssen ist wie tanzen.
  • Was würde passieren, wenn ein Paar im Publikum anfangen würde sich zu küssen?
  • Was würde passieren, wenn jemand aus dem Publikum zu den sechs Leute hingeht und mitmachen will?
  • Vielleicht sollen wir uns auch alle einfach nur mal lieb haben.
  • Man kann in allen Positionen küssen.
  • Man braucht zum Küssen nichts, außer eine weitere Person. Man braucht keine Requisiten.
  • Wenn man nur zusieht, kann Küssen ganz schön langweilig sein.
  • Wie intim ist Küssen eigentlich?
  • Ich empfinde Scham, ein bisschen zumindest.
  • Homosexualität ist okay.
  • Küssen kann leidenschaftlich, sexuell, gewalttägig und so vieles mehr sein.
  • Man lässt sich fallen.
  • Man zeigt sich unterwürfig.
  • Man lässt sich vom anderen tragen.
  • Es scheint egal zu sein, wen man küsst, der Körper fühlt immer Stimulation.
  • Wir sollten alle mal Gruppenküssen.
  • Man verschmilzt ineinander.
  • Jeder Mensch braucht Liebe, und will Liebe geben.
  • Wir ziehen uns Dinge des anderen über. Seien es Eigenschaften oder Hosen.
  • Küssen kann anstrengend sein.
  • Man sehnt sich immer nach körperlicher Nähe.
  • Ich fühle mich nicht erregt. Ich fühle nicht sehr viel.
  • Ich schaue nun schon zum 3. Mal auf die Uhr.
  • Liebe ist Krieg.
  • Man bekommt rote Lippen vom Küssen.
  • Küssen kann ganz schön eklig sein.
  • Wie oft küsse ich eigentlich in der Öffentlichkeit?
  • Zuviel Nähe macht krank.
  • Mir ist ein bisschen übel.

Vierzig Minuten, die langweilen, keinen Lustgewinn bringen und nach denen man eigentlich nur eines will: Nie wieder Küssen.

Das ging wohl nach hinten los. Denn romantisch war dieser Abend definitiv nicht.

Die ausführliche Kritik zum Abend findet ihr hier.


(Andreas Dorau & Die Marinas – Fred vom Jupiter; Das Abschlusslied der Performance)

Ein feuchter, unromantischer Abend

13 Apr

Heiße Küsse, Voyeurismus, Körperkontakt, wechselnde Partner, Speichel..

Klingt nach einem spannenden Abend? Irgendwie schon, und doch sind die Meinungen der Zuschauer nach der Aufführung des Stücks „Romantic Afternoon“ von Verena Billinger und Sebastian Schulz sehr unterschiedlich. Der Grund dafür: Eine Idee, die so lange gedehnt wird, bis sie am Ende ihre Wirkung verliert, ist bei Billinger und Schulz  Konzept.

Zunächst wird Spannung erzeugt. Spannung im Raum dazwischen, Spannung, die beinahe greifbar ist. Da stehen zwei Menschen voreinander, die sich küssen wollen. Ihre Intention ist deutlich zu spüren.

Zehn Sekunden später folgt dann jedoch sogleich der Kern der Performance: Das erste Paar küsst sich. Man sieht einen Hinterkopf und hört Schmatzgeräusche. Dann das beginnt nächste Paar. Einer der Schauspieler küsst die Luft vor sich und sieht dabei so aus wie ein Fisch auf dem Trockenen. Die übrigen Performer sehen zeitweise gespannt zu, zeitweise küssen sie selber Luft. Oder sie suchen den nächsten Partner. Langsam schiebt sich auch das eine oder andere Bein an das nächste, verhakt sich. Die sechs Menschen auf der Bühne beginnen, sich zu drehen, zu tanzen, sich auf den Boden zu legen. Fließender Partnerwechsel.

Als das Licht ausgeht, wird die Atmosphäre romantischer, die Paare verdrücken sich an den Rand der Bühne. Die Bewegungen scheinen sich zu verlangsamen und man bekommt für einen Augenblick den Eindruck, die Schauspieler würden das Rumgeknutsche genießen. Sogleich fühlt man sich im Pubikum wohler, die Atmosphäre scheint angemessener.

Doch das Licht geht schon nach ein paar Minuten wieder an und es wird weiter geküsst. Immer mehr erinnert die Performance an Contact-Improvisationstanz. Seltsame Posen entstehen, irgendwann robben alle einmal auf dem Boden herum und berühren sich. Die Schauspieler formen ein Kneul, in dem jeder willkürlich irgendwelche Körperteil küsst. Es werden Hosen getauscht. Einige Lacher aus dem Publikum machen deutlich, wie absurd der „Romantic Afternoon“ bisweilen wirkt.

Zum tobenden Höhepunkt werden die Küssenden lauter, heftiger, strampeln mit den Beinen. Dann halten sie inne, atmen heftig…

Als Zuschauer spürt man: Die wollen sich gar nicht wirklich. Von dem Drang, jemanden nah zu sein, ist nichts zu spüren. Ein Mädchen im Publikum streicht Ihrem Freund über den Rücken, „Es ist bald aus.“ Eine Dame sieht sich unsicher unter den Zuschauern um.

Das fehlende Verlangen ist es, was es unangenehm macht, den Küssenden zuzuschauen. Der theatrale Moment, indem Gefühle und Intentionen auf den Zuschauer überspringen, äußert sich äußerst seltsam: In Eckel, Unsicherheit, Ablehnung.

Abschließend wird das Absurde nocheinmal auf die Spitze getrieben, durch eine alberne Videoclip-Choreografie, während der weiterhin geküsst wird. Die Schauspieler lachen und scheinen zu sagen „Ja, die Performance soll genauso sein wie sie ist.“

Man hätte viel mit Langsamkeit arbeiten können, man hätte mehr Spannung erzeugen können, mehr wirkliche Nähe. Doch stattdessen wird Oberflächlichkeit demonstriert, Austauschbarkeit. Oder der kleine Moment, indem man jemanden küsst, und mit den Gedanken ganz woanders ist. „Wenn man einen neuen Partner küsst, ist dieser immer im ersten Moment ein bisschen fremd. Wir arbeiten mit den Körpern wie mit Material“, sagt die Tänzerin Jungyun Bae aus Gießen, die in dem Stück mitspielt.

Im Zuschauer schreit alles nach Tiefe, nach Auseinandersetzung mit dem, was gezeigt wird… nach Gefühlen. Man hofft, dass sich einige der Personen mögen, andere nicht. Man glaubt Geschichten zu erspüren. Ob es eine Liebesbeziehung unter den Schauspielern gab? „Nein.“ Eine Affäre? Jungyun Bae lacht.

Doch die Schauspieler sind gut genug, um alles zu umnebeln, was an persönlichen Gedanken und an gefühlter Nähe zugegen sein könnte. Zurecht, wäre doch in dem Moment, indem diese wahre Tiefe entstünde, die Aussage des Stückes gebrochen.
Hier geht es nicht um die Gefühle der Küssenden, sondern um die Gefühle der Zuschauer. Was denke ich, wenn ich 6 Menschen eine Stunde lang beim küssen zusehe? Was bedeutet Küssen für mich? Stellen sich Körper und Geist beim Küssen auf einen anderen Menschen ein? Inwieweit lassen ich mich fallen, wieviel innerliche Distanz bleibt?

You’ll always remember your first kiss…

12 Apr

Der Kuss

Wenn ich so darüber nachdenke, ist der Kuss etwas ganz besonderes. Vor allem der erste richtige Kuss. Mit 14/15 Jahren ist der erste Kuss Gesprächsthema Nummer Eins. In der Schule dreht sich fast alles um Liebe und Küsse.
Hast du schon geküsst? Wie war es? Wie macht man es richtig? Wo gibt man die Hände hin? Wie funktioniert der Kuss mit Zunge? Wie lange sollte der perfekt Kuss dauern?
Fragen über Fragen. Und die Antworten kann nur die Praxis bringen.

Mein erster Kuss war zögerlich, feucht und unbeholfen. Küssen muss man wohl lernen, oder zumindest muss man erstmal ein Gefühl dafür bekommen.

Könnt ihr euch noch an euren ersten Kuss erinnern? Was bedeutet heute küssen für euch?

Auf die Plätze, fertig, küssen!

12 Apr
Heute steht wieder einiges auf dem Programm. Unter anderem auch die Performance Romantic afternoon*“ von Verena Billinger & Sebastian Schulz.

Zu sehen: Heute am 12.04 um 21:00 Uhr
Morgen am 13.04 um 21:00
Wo? Künstlerhaus

Billinger & Schulz: ROMANTIC AFTERNOON *; Copyright: Gerhard F. Ludwig

Billinger & Schulz: ROMANTIC AFTERNOON *; Copyright: Gerhard F. Ludwig

In der Beschreibung ist zu lesen:

Sechs PerformerInnen küssen sich ununterbrochen, schlingen die Arme umeinander, halten sich fest, tauschen PartnerInnen aus und simulieren Intimität. Die Küsse sind nah, innig, distanzlos, flüchtig, leidenschaftlich, sie provozieren spontane Einfühlung, Voyeurismus, Scham, Abwehr und Schmunzeln. Küsse werden zu Zeichen – und diese lassen sich nicht mehr lesen. Entschlüsselt werden Gefühle, die nicht da sind, Haltungen, die nur äußerlich eingenommen sind, und Affekte, die nur künstlich geweckt werden. Diese Choreografie wird zu einer exzessiven Ausdrucksmaschine, welche die medial und künstlerisch vermittelten Intimitäten ad absurdum führt. ROMANTIC AFTERNOON * entschleiert Mechanismen einer inszenierten Öffentlichkeit, produziert Scham durch Schamlosigkeit und fragt nach den Bedingungen der Möglichkeit echter Gefühle.

Küssen ist für uns etwas intimes. Wir küssen nicht jeden. Wir küssen meist nur Menschen die wir lieben. Bei uns wird oft in er Öffentlichkeit geküsst. Meist jedoch nur ein Bussi auf den Mund. Zungenküsse finden zuhause statt, dort wo sie keiner sehen kann. Oder auf Partys, nach dem Alkoholkonsum, wenn die Hemmungen fallen. Küssen ist bei uns alltäglich. Dennoch schaut man hin, wenn sich ein frisch verliebtes Pärchen auf der Straße küsst. Man ist und bleibt Voyeur.

Der Kuss gilt in vielen Kulturen als Ausdruck von Liebe, Freundschaft und Ehrerbietung. Küssen in der Öffentlichkeit ist nicht in jeder Kultur erwünscht beziehungsweise erlaubt. Bei uns ist ein Kuss Ausdruck von Liebe und Zuneigung; er ist aber auch etwas sexuelles.

Ein Kuss ist in vielen Situationen möglich und kann so einiges bedeuten:

  • Der Kuss, um sich Liebe zu zeigen.
  • Der Kuss zur Begrüßung und zum Abschied. Man denke nur an das Küsschen rechts und links, dass seit einiger Zeit auch bei uns Fuß gefasst hat.
  • Der Kuss als Zeichen der Verehrung. Wenn Männer die Hand der Frau küssen. Oder Untertanen früher die Hand des Königs.

Der Kuss spielt auch in einigen Märchen wie Dornröschen, oder in der Kunst, wie „Der Kuss“ von Gustav Klimt zeigt, eine wichtige Rolle.

Wir können also gespannt sein, wie der Kuss in dieser Performance inszeniert wird. Es gibt schließlich viel Möglichkeiten und Bedeutungen eines Kusses. Review folgt dann morgen.