Tag Archives: freischwimmer

Ihre Majestät, die Königin.

17 Apr
Ich stehe im Foyer und warte auf den Beginn der Vorstellung. Zwei Frauen bewegen sich die Stufen herab und beginnen zu sprechen: „Die Königin wird Sie bald in Empfang nehmen.“ Wir bekommen Anweisungen. Dunkle Kleidung rechts, helle Kleidung links. „Seien Sie sie selbst“, meinen die Damen zum Abschluss und verschwinden wieder. Erst jetzt bemerke ich das Glockenspiel, und frage mich, woher es kommt. Hat das Stück etwa schon begonnen?

„Sie ist schön, reich, großherzig, talentiert und mächtig.“ Die Rede ist von der Königin. Zwei Frauen sitzen aneinander gebunden auf einem Podest. Sie sprechen über die Königin. Über ihre Eigenschaften. Abgehackt. War das etwa ein Fehler? Sie sprechen über die Herkunft der Königin. Über ihr Regiment.
aneinander

Die Frauen trennen sich voneinander.
getrennt

Die Königin präsentiert sich. Sie steht im Licht. Rings um sie ihr Volk. Sie lächelt mit geschlossenem Mund. Hebt ihre Arme, winkt leicht dem Volk zu. Sie wirkt wie eine Marionette. Es wird ihr gesagt, was sie tun soll. Ihre Bewegungen Puppenhaft.
Chuck morris

Während die eine erzählt, agiert die andere. Es erinnert ein wenig an ein Hörspiel. Je mehr erzählt wird, desto mehr stellt man sich vor. Obwohl auf der Bühne nur eine Frau zu sehen ist, stelle ich mir ein Volk vor. Ein Volk, das zu ihr aufsieht. Ich sehe die Königin in ihrem Kleid. Sehe ihr Lächeln. Ich denke mir Dinge dazu. Die Illusion der prachtvollen, perfekten Königin wird jedoch zerstört. Ich höre: „Die Königin muss eigentlich aufs Klo. Sie muss sich noch etwas gedulden.“
im Licht

„Souvereines“ wird vor allem durch die Lichtspiele, die Sounds und die tolle Performance von Chuck Morris interessant. Denn auf der Bühne selbst sieht man meist nur langsame Bewegungen. Frauen die ausdruckslos in die Leere starren. Frauen die sich ankleiden. Frauen die tanzen. Es passiert alles sehr langsam und durchdacht. Ernst. Die Worte wirken starr. Emotionslos. Ein eingeübter Sprechgesang. Synchronität. Mann muss hinsehen. Hinhören. Doch man versteht nicht.
beim anziehen

Die Königin hat sich angekleidet. Die Königin stellt sich vor. Chuck Morris tanzen, zu zweit in einem Kostüm. Rücken an Rücken. Beeindruckend.
Die Königin

Die Königin ist niemals allein. Sie wirkt schizophren. Doch am Ende des Stückes wird man alleine gelassen. Die Königin tritt ab. Das Publikum fragt sich, was gerade passiert ist. Die Idee gut. Die Lichter, Sounds und Sprechsituationen fabelhaft. Die Bewegungen zusammen, beeindruckend. Die Sprache, interessant. Doch etwas fehlt. Der Zusammenhang. Die Spannung. Die Dramaturgie. Sehenswert ist es dennoch.
Die Königin

Um zu klären, warum zwei Personen eine Königin präsentieren, möchte ich eine Antwort aus dem Interview mit Chuck Morris zitieren, welches von Eva Kleinschwärzer und Nathalie Knoll geführt wurde:

Inspiriert hat uns dabei die Aussage, dass Königinnen einen natürlichen und einen politischen Körper haben. Das kann man auf zwei Ebenen verstehen. Einerseits, dass der Körper der Frau sowohl privat als auch öffentlich existiert. Andererseits, dass der natürliche Körper vergänglich ist, während der politische Körper von Herrscher zu Herrscher weitergereicht wird. So entsteht auch das moderne Bürgersubjekt, wo jeder seinen Status, seine Rechte und Pflichten hat und so entstehen auch hier ein privater und ein öffentlicher Körper, diese beiden sind quasi untrennbar. Auch bei Königinnen verschmelzen diese Körper, denn um politisch wirksam zu sein, muss der private Körper immer noch gebären können. Wer in unserem Fall was repräsentiert, bleibt der Überlegung des Zuschauers überlassen.

(Fotos und Bericht von Petra Gschwendtner; Aufführung Souvereines – Chuck Morris vom 16.04 im brut Wien)

Freischwimmer Erinnerungsstücke

17 Apr
Das Freischwimmer Festival hatte gestern seinen letzten Tag in Wien, doch vorbei ist es noch lange nicht:
Von 05. Mai bis 14. Mai gastiert es in der Gessnerallee in Zürich und danach wird es noch vom 19. Mai bis zum 28. Mai im Forum Freies Theater in Düsseldorf Halt machen.

Glücklicherweise konnte ich in Wien ein paar Erinnerungsstücke mit nachhause nehmen, die mich auch weiterhin an diese schöne, interessante und vor allem auch kontroverse Woche erinnern werden:

Die Freischwimmer-Tasche, in der ich die letzte Woche stets Block, Stift, Karten, Handy und Kamera mit mir herumgetragen habe. Warum? Um für euch berichten zu können.

Freischwimmer Tasche

Wie bereits berichtet lagen im brut auch Postkarten (für NOTSTAND und CMMN SNS PRJCT) und Plakate des NOTSTANDs zur freien Entnahme herum. Ich musste natürlich alles mit nachhause nehmen. Suche jedoch noch verzweifelt nach einem passenden Platz für das NOTSTAND-Plakat. Irgendwelche Tipps? Wohnzimmer, Küche oder doch Schlafzimmer?

Notstand und CMMN SNS PRJCT

Ich hoffe, ihr konntet auch ein paar Erinnerungsstücke mitnehmen: Sei es eine Freischwimmer-Tasche, eine hitzige Diskussion zu einer Produktion oder einfach eine beeindruckende Szene, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Ich muss gestehen, dass „Fred vom Jupiter“ immer noch als Ohrwurm in meinem Kopf herumgeistert.

Muammar al-Gaddafi als „King of the Kings“?

15 Apr
Bereits vor den großen Aufständen und Ereignissen in Libyen haben sich die „Lovefuckers“ gedacht, eine Produktion über Muammar al-Gaddafi zu machen. Die „Lovefuckers“ sind die Puppenspielerinnen und Regisseurinnen Anna Menzel und Ivana Sajević. Muammar al-Gaddafi kennen wir wohl alle.

Muammar al-Gaddafi; Foto: Wikipedia

Muammar al-Gaddafi; Foto: Wikipedia

In der Beschreibung heißt es:

Gaddafis Ambitionen waren schon immer gigantisch: er wollte die Monarchie mit dem Sozialismus zusammen bringen und davon die ganze Welt überzeugen. Aus Afrika wollte er einen starken islamisch-sozialistischen Staat machen, mit sich als König. Er hat ein politisches Manifest geschrieben: Das grüne Buch. Und er träumt von einer weiblichen Revolution. Gaddafi ist Politiker, Dichter, Visionär und weiß sich öffentlich zu inszenieren. Seine Dolmetscher brachte er regelmäßig an den Rande des Nervenzusammenbruchs, zerriss die UN-Charta, kritzelte auf den Vorsitzenden-Stuhl „Wir sind hier“ und differenziert zwischen „Heiligem Krieg“ und Terrorismus. Gaddafi hat sich über die letzten Jahre zu einer gruseligen, politischen Pop-Ikone gemausert. Die Lovefuckers bemächtigen sich Gaddafis Inszenierungs¬kunst und zeigen ihn theatral, ambivalent, konfliktreich und umstritten.

Gaddafi ist eine starke Persönlichkeit, die nie aufgibt und vor nichts zurück schreckt. Er wirkt skrupellos. Als würde er die Realität nicht wahrhaben wollen und in seiner eigenen kleinen Welt leben.

Dies zeigen auch seine Aussagen:
„Es gibt keinen demokratischen Staat auf diesem Planeten außer Lybien.“

„I am not going to leave this land. I will die as a martyr at the end. I shall remain, defiant. Muammar is Leader of the Revolution until the end of time.“

„We believe America is practicing all kinds of terrorism against Libya. Even the accusation that we are involved in terrorism is in itself an act of terrorism.“

„Whenever I ask about Pepsi-Cola or Coca-Cola, people immediately say it is an American or European drink. This is not true. The kola is African. They have taken the cheap raw material from us. They produced it, they made it into a drink, and they sell it to us for a high price. Why are Pepsi-Cola and Coca-Cola expensive? Because they have taken our kola, produced it, and sold it back to us. We should produce it ourselves and sell it to them.“

„I am an international leader, the dean of the Arab rulers, the king of kings of Africa and the imam of Muslims, and my international status does not allow me to descend to a lower level.“

Proteste in Libyen
Im Januar 2011 begannen die Proteste gegen Gaddafi’s Führung. Die Oppositionellen verbündeten sich und der prominente libysche Schriftsteller Jamal al-Hajji rief zu Protesten gegen das Regime auf. Er wurde wenig später verhaftet. Doch die Revolution war nicht mehr zu stoppen. In Städten wie Bengasi, Darna und Tobruk gingen die Leute auf die Straßen um gegen das Regime zu demonstrieren. Gaddafi will sein Amt jedoch nicht niederlegen und kämpft weiterhin wehement gegen die Rebellen. Er schreckt auch nicht vor Blutbädern und Kämpfen zurück. Es herrscht Bürgerkrieg. Die EU und die USA halten regelmäßig Sitzungen ab, um zu klären, wie man die Stimmung in Libyen bessern kann. Es ist April und es ist noch immer kein Ende in Sicht.

Das Stück der „Lovefuckers“ wurde – wie gesagt – vor den Vorfällen in Libyen geschrieben. Es bleibt dennoch zu hoffen, dass zumindest einzelne Ereignisse der vergangenen Wochen in die Produktion einfließen. Das Thema ist schließlich brandaktuell und interessiert beinahe jeden.

Hier ein kleiner Ausschnitt von der „King of the Kings“-Aufführung in Berlin:

Lovefuckers: KING OF THE KINGS
Wann? Freitag, 15.04 um 21:00 Uhr
Samstag, 16.04 um 21:00 Uhr
Wo? Künstlerhaus
Link dazu

Auf die Plätze, fertig, küssen!

12 Apr
Heute steht wieder einiges auf dem Programm. Unter anderem auch die Performance Romantic afternoon*“ von Verena Billinger & Sebastian Schulz.

Zu sehen: Heute am 12.04 um 21:00 Uhr
Morgen am 13.04 um 21:00
Wo? Künstlerhaus

Billinger & Schulz: ROMANTIC AFTERNOON *; Copyright: Gerhard F. Ludwig

Billinger & Schulz: ROMANTIC AFTERNOON *; Copyright: Gerhard F. Ludwig

In der Beschreibung ist zu lesen:

Sechs PerformerInnen küssen sich ununterbrochen, schlingen die Arme umeinander, halten sich fest, tauschen PartnerInnen aus und simulieren Intimität. Die Küsse sind nah, innig, distanzlos, flüchtig, leidenschaftlich, sie provozieren spontane Einfühlung, Voyeurismus, Scham, Abwehr und Schmunzeln. Küsse werden zu Zeichen – und diese lassen sich nicht mehr lesen. Entschlüsselt werden Gefühle, die nicht da sind, Haltungen, die nur äußerlich eingenommen sind, und Affekte, die nur künstlich geweckt werden. Diese Choreografie wird zu einer exzessiven Ausdrucksmaschine, welche die medial und künstlerisch vermittelten Intimitäten ad absurdum führt. ROMANTIC AFTERNOON * entschleiert Mechanismen einer inszenierten Öffentlichkeit, produziert Scham durch Schamlosigkeit und fragt nach den Bedingungen der Möglichkeit echter Gefühle.

Küssen ist für uns etwas intimes. Wir küssen nicht jeden. Wir küssen meist nur Menschen die wir lieben. Bei uns wird oft in er Öffentlichkeit geküsst. Meist jedoch nur ein Bussi auf den Mund. Zungenküsse finden zuhause statt, dort wo sie keiner sehen kann. Oder auf Partys, nach dem Alkoholkonsum, wenn die Hemmungen fallen. Küssen ist bei uns alltäglich. Dennoch schaut man hin, wenn sich ein frisch verliebtes Pärchen auf der Straße küsst. Man ist und bleibt Voyeur.

Der Kuss gilt in vielen Kulturen als Ausdruck von Liebe, Freundschaft und Ehrerbietung. Küssen in der Öffentlichkeit ist nicht in jeder Kultur erwünscht beziehungsweise erlaubt. Bei uns ist ein Kuss Ausdruck von Liebe und Zuneigung; er ist aber auch etwas sexuelles.

Ein Kuss ist in vielen Situationen möglich und kann so einiges bedeuten:

  • Der Kuss, um sich Liebe zu zeigen.
  • Der Kuss zur Begrüßung und zum Abschied. Man denke nur an das Küsschen rechts und links, dass seit einiger Zeit auch bei uns Fuß gefasst hat.
  • Der Kuss als Zeichen der Verehrung. Wenn Männer die Hand der Frau küssen. Oder Untertanen früher die Hand des Königs.

Der Kuss spielt auch in einigen Märchen wie Dornröschen, oder in der Kunst, wie „Der Kuss“ von Gustav Klimt zeigt, eine wichtige Rolle.

Wir können also gespannt sein, wie der Kuss in dieser Performance inszeniert wird. Es gibt schließlich viel Möglichkeiten und Bedeutungen eines Kusses. Review folgt dann morgen.

Heute schon Zeitung gelesen?

11 Apr
Es ist neun Uhr morgens. Viel zu früh. Die brut Bar füllt sich. Redaktionssitzung steht an.

e-xilant Festivalzeitung
(Die Wandzeitung im Foyer: „e-xilant – öffentlich versteckt“)

Viele von euch haben bestimmt schon mitbekommen, dass es nicht nur unseren Blog gibt, sondern noch zwei andere. Auf Glasfront bloggt eine weitere Gruppe von TFM-Studierenden, auf Frischluft bloggt Kris, die auch für die Wandzeitung schreibt. Denn neben diesen Blogs, gibt es noch eine Festivalzeitung, die den Namen „e-xilant – öffentlich versteckt“ trägt. Es handelt sich dabei um eine Wandzeitung, die täglich im Foyer im Brut gelesen und bestaunt werden kann. Auf dieser Wand befinden sich Vorberichte, Kritiken, Essays und Interviews zu den einzelnen Produktionen. Spannend zu lesen. Vor allem, weil auch diese Wandzeitung täglich erweitert und erneuert wird, wie die Blogs auch.

Freischwimmer Pressestimmen
(Pressestimmen)

Am Ende des Festivals wird vom brut Wien eine Freischwimmer Zeitung herausgegeben, in der die besten Artikel gesammelt und publiziert werden. Diese erscheint wahrscheinlich im Mai. Meine Empfehlung: Wer nicht so lange warten will, sollte die Pausen zwischen den Stücken zum Lesen nutzen. Es lohnt sich!

Als Politiker entlarvt – „Your Majesties“

11 Apr

„Your Majesties“
von Alexander Deutinger und Marta Navaridas
brut Wien, 09.04.2011

Ein großer, leer wirkender Raum. Vom Scheinwerfer ausgeleuchtet. In der Mitte ein Stuhl. Nachdem das Publikum Platz genommen hat, kommt ein Mann hinter dem schwarzen Vorhang hervor und betritt den Bühnenraum. Er trägt Anzug und Krawatte. Er klammert sich an die Zettel in seinen Händen und beginnt zu lesen. Der Mann trägt die Friedensnobelpreis-Rede, welche der US-Präsident Barack Obama im Jahre 2009 gehalten hat, vor. Doch schnell wird klar, im Mittelpunkt dieser Produktion steht weniger der Text, sondern vielmehr der Körper.

Ein Special ohne Special Effects
„Your Majesties“ ist das diesjährige Special des Freischwimmer Festivals im brut Wien. Warum dieses Stück nur bei uns gespielt wird, erklärt Haiko Pfost im Interview mit Vanessa Scharrer und Daniela Scheidbach:

„Dieses Jahr haben wir den Sonderfall in der Wiener Ausgabe: ‘Your Majesties’. Das ist so eine Spezialsache von Alexander Deutinger und Marta Navaridas. Die haben sich auch für das Festival beworben und wir fanden die Produktion sehr interessant, sie war aber schon fertig, deswegen ist sie auch aus formalen Gründen ausgeschieden, andererseits hat sie inhaltlich sehr gut gepasst, deswegen präsentieren wir sie als Spezialprogramm nur in Wien.“

Es handelt sich also um ein Gastspiel von Alex Deutinger und Marta Navaridas, welches nur am 9.4. aufgeführt wurde. „Your Majesties“ ist keine Parodie und auch keine schnöde Wiedergabe von Obamas Rede, sondern vielmehr eine Tanzperformance. Die Bewegung und deren Abläufe stehen im Vordergrund. Daher braucht das Stück nicht mehr als einen Raum und einen Körper. Keine Spezialeffekte, keine Musik, kein Lichtspiel.

Fremdgesteuert
Deutinger steht auf der Bühne, Navaridas im Publikum. Deutinger mimt Obama, der dessen Rede in englischer Sprache vorträgt. Im ersten Moment wirkt alles klar. Erst nach und nach merkt man, dass die Bewegungen überzogen und gespielt sind. Deutinger scheint nicht so ganz zu wissen, was mit seinem Körper passiert. Als könne er seine Bewegungsabläufe nicht kontrollieren, als würde er von außen gesteuert. Spätestens in dem Moment, in dem Deutinger breitbeinig auf dem Stuhl sitzt und alle Viere von sich streckt, wird klar, dass er eine Marionette ist. Doch eine Marionette von wem? Ich drehe mich um und sehe Marta Navaridas, die mitten im Publikum auf einem Podest steht, und Deutinger die Posen vorgibt. Ihr Gesichtsausdruck ist stark. Als hätte sie Spaß daran. Sie setzt sich hin, zieht ihre Socken aus. Deutinger macht es ihr nach. Es ist wie ein Spiel. Dies vermitteln auch die Karten, die Navaridas zückt. Die gelbe Karte bringt Deutinger dazu, sich in die Ecke zu stellen. Durch die rote Karte verlässt er den Raum. Die blaue Karte bringt ihn zum Singen, die grüne Karte dazu, dem Publikum die Hände zu schütteln. Immer wieder springt Deutinger wie ein Tänzer durch den Raum und versetzt sich in Kraftposen, die teilweise auch den Text unterstreichen sollen. Er spricht von Kampf und streckt die Faust in die Luft. Er spricht von „evil“ und zeigt uns den „Metal-Gruß”. Es wirkt absurd.

Your Majesties; Foto von Tea Sahacic

Your Majesties; Foto von Tea Sahacic

Was fehlt und bleibt
Der vorgetragene Text ist die Rede. Durch die Bewegung tritt dieser jedoch in den Hintergrund und nach einiger Zeit hört man auch gar nicht mehr auf das Vorgetragene, sondern konzentriert sich nur mehr auf Navaridas‘ und Deutingers Posen. Etwas schade. Da man auch mit dem Text hätte spielen können. Das Stück wirkt etwas langatmig, trotz amüsanter Bewegungsabläufe. Es fehlt an Spannungsmomenten und auch am Höhepunkt. Es plätschert einfach dahin. Am Ende bedankt sich Deutinger, während Navaridas wieder ihren Platz im Publikum einnimmt. Es ist und bleibt also eine Tanzperformance, die weder Fragen stellt noch beantwortet. Dafür jedoch mit einzelnen Aspekten spielt.

Der Politiker entlarvt
Im Mittelpunkt steht der Politiker, auf den das Publikum starrt. Im Hintergrund befinden sich die Strippenzieher. Wie hier Navaridas, die im Publikum steht und die Kontrolle sichtlich genießt. Das Publikum merkt erst nach einiger Zeit, dass es einen Drahtzieher gibt. Auch in der Realität ist uns oftmals nicht bewusst, dass Politiker oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oft nur sagen, was wir hören wollen. Dass Texte vorgetragen werden, die nicht vom Vortragenden geschrieben wurden. Auch die Körpersprache spielt eine große Rolle. Diese wird in „Your Majesties“ ad absurdum geführt. Deutinger wird als Marionette entlarvt. Seine Bewegungen wirken oft wie Posen, sie haben nicht den Anspruch, real zu wirken. Es wird die einstudierte Körpersprache der Politiker betrachtet, aber auch die Abhängigkeit von Politiker und Berater. Denn Deutinger ist von Navaridas abhängig. Wie würde er ohne sie existieren? Wie würde er sich ohne sie bewegen?

Tag 2: Notstands-Stimmen

10 Apr
Notstand; Foto von Patrick Mladensich

Notstand; Foto von Patrick Mladensich

Am Freitag wurde der Notstand ausgerufen, wir haben darüber berichtet. Barbara Ungepflegt sorgt täglich vor dem brut Wien für ein neues Notstands-Programm. Eine Installation mit Performance, die nicht langweilig wird.

Auch gestern stand wieder Neues auf dem Programm: Barbara las aus dem Japanisch-Deutsch-Langenscheid vor. Schließlich befindet sich Japan derzeit auch im Notstand. Wir lernten Wörter wie Baustelle, Not und Nagellack.

Um einen Eindruck des gestrigen Abends zu bekommen, will ich ein paar Gesprächsfetzen mit euch teilen:

  • Älteres Paar bleibt am Notstand stehen spricht kurz mit Barbara. Der Mann zu seiner Frau im Weitergehen: „Das ist für die Japan-Hilfe.“
  • „Und nun alle zusammen: Not auf Japanisch. Und ich bin mir sicher, dass ich das richtig ausspreche.“
  • „Haben sie Notstand?“
  • „Sicherheit wird bei uns im NOTSTAND groß geschrieben.“
  • „Ich sehe, die Begeisterung am NOTSTAND schwindet.“
  • „Es ist im NOTSTAND wärmer als sonst wo.“
  • „Eine Nacht mit Candle-Light-Dinner für eine Person hat Eduard gewonnen, seine Telefonnummer lautet 06761533675.“
  • „Wer möchte in den NOTSTAND?“ – „Wir haben schon etwas vor.“ – „Saufen? Das kann man im NOTSTAND auch.“
  • Barbara spricht Touristen an, die wie Japaner aussehen, aber leider keine sind. Ob wir die japanischen Wörter richtig ausgesprochen haben, werden wir also nie erfahren.

Heute um 19:00 findet die nächste Notstands-Sitzung statt.

Samstag: Von der Obama-Rede bis hin zum Mischwesen

9 Apr
Auch heute steht wieder viel auf dem Festival-Programm. Wir stellen euch die Stücke in aller Kürze vor:

Your Majesties
Alex Deutinger und Marta Navaridas
Wo? Künstlerhaus
Wann? 20:00 Uhr
Link dazu.

Your Majesties; Copyright: Alexander Deutinger und Marta Navaridas

Your Majesties; Copyright: Alexander Deutinger und Marta Navaridas

Ein Mann spricht über Krieg und Frieden, über Gott und die Welt. Und die Welt verneigt sich. Barack Obama und sein Redenschreiber Jon Favreau haben mit ihren Wahlkampfreden in vielen Menschen politische Hoffnungen geweckt. In Your Majesties inszeniert die Übersetzerin und Choreografin Marta Navaridas Präsident Obamas legendäre Nobel Lecture vom 9. Oktober 2009 in Oslo anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises.
Der Performer Alex Deutinger holt die Ansprache des amerikanischen Präsidenten in die Gegenwart, während ihm Marta Navaridas aus dem Hinterhalt als gestikulierende Teleprompterin das Bewegungsmaterial unterjubelt. Ein Stück Weltgeschichte, das aktueller nicht sein könnte.

Wir sind gespannt und wissen nicht was uns erwartet. Das Pressefoto sieht jedoch vielversprechend aus. Bericht folgt.

Furry Species
Institut für Hybridforschung

Wo? Konzerthaus
Wann? 21:00 Uhr
Link dazu.

Institut für Hybridforschung: Furry Species; Copyright: Gerhard F. Ludwig

Institut für Hybridforschung: Furry Species; Copyright: Gerhard F. Ludwig

Das Institut für Hybridforschung eröffnet mit performativen Mitteln neue Perspektiven abseits des gängigen Mensch-Tier-Dualismus. Tier ist das neue Queer!
Wer tierische Impulse bei der Verteidigung eines Territoriums spürt oder einen potenziellen Partner besonders gut riechen kann, ist eingeladen, sich über einen neuen animalischen Lebensweg zu informieren. Es leben bereits mehr Mischwesen in Städten, als man annehmen mag, und die technischen Möglichkeiten für ein Shapeshifting werden permanent verbessert. Eine Klientin des Instituts hat die einzelnen Schritte ihrer operativen Verwandlung zum Raubtier dokumentiert und wird in einer Symbiose aus Forschung und Entertainment ihre Erfahrungen vorstellen. Kommen auch Sie auf den Hund. Werden Sie Tier – jetzt!

Denn jeder hat ein Tier in sich, oder nicht? Lasst uns unsere animalische Seite entdecken. Einige von uns waren gestern schon beim Furry Species. Ich werde es mir heute zu Gemüte führen.

Hybrid-Party
Im Anschluss an Furry Species
Wo? Konzerthaus
Wann? 22:00 Uhr
Link dazu.

Furry Species; Copyright: Institut für Hybridforschung

Furry Species; Copyright: Institut für Hybridforschung

Bei zunehmendem Mond rufen Mischwesen aller Couleurs zur Hybrid-Party. Zeit, den Trieben freien Lauf zu lassen! Aouuuhhh! Wir wünschen eine wilde Partynacht! Man sieht sich…