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„King of the Kings“ in Bildern

13 Mai
Das Freischwimmer-Festival ist weiter gezogen, derzeit gastiert es im Theaterhaus Gessnerallee in Zürich. Ein paar Dinge aus Wien bin ich euch jedoch noch schuldig.

Hier ein kleiner Videomitschnitt von den Lovefuckers mit ihrem Stück „King of the Kings“



Ich denke, dass das Video einen guten Einblick verleiht. Alles geht sehr schnell. Alles ist überzogen. Alles ist laut und überdreht. Trashig. Lustig. Und manchmal fragt man sich auch, ob der Spaß nicht etwas zu weit geht. Trotzdem kann man sich nicht zusammenreißen und muss laut lachen. Denn es macht Spaß zuzusehen.

Puppentheater ist nicht gleich Kindertheater
Ich war skeptisch. Denn Puppentheater verbinde ich Kindheit, Stichwort Kasperltheater. Doch das Puppenspiel der Lovefuckers hat nur wenig mit dem Kasperltheater unserer Kindheit zu tun. Die Gruppe weiß ihre Puppen einzusetzen, es handelt sich dabei schließlich auch um ausgebildete Puppenspieler. Bereits nach kurzer Zeit werden diese gar nicht mehr als Fremdkörper beziehungsweise als Puppen wahrgenommen. Man muss sich auf das Puppenspiel einlassen, sowie man sich auch auf den Humor des Stückes einlassen muss. Bestimmt nichts für Jedermann.

Ein paar Fotos vom Abend:

„I’m the King of the Kings“
King of the Kings

An der Stange mit Berlusconi
King of the Kings an der Stange

Die Gaddafi-Puppe
King of the Kings

Unsere Berichte und Kritiken zum Stück gibt’s hier.

Ihre Majestät, die Königin.

17 Apr
Ich stehe im Foyer und warte auf den Beginn der Vorstellung. Zwei Frauen bewegen sich die Stufen herab und beginnen zu sprechen: „Die Königin wird Sie bald in Empfang nehmen.“ Wir bekommen Anweisungen. Dunkle Kleidung rechts, helle Kleidung links. „Seien Sie sie selbst“, meinen die Damen zum Abschluss und verschwinden wieder. Erst jetzt bemerke ich das Glockenspiel, und frage mich, woher es kommt. Hat das Stück etwa schon begonnen?

„Sie ist schön, reich, großherzig, talentiert und mächtig.“ Die Rede ist von der Königin. Zwei Frauen sitzen aneinander gebunden auf einem Podest. Sie sprechen über die Königin. Über ihre Eigenschaften. Abgehackt. War das etwa ein Fehler? Sie sprechen über die Herkunft der Königin. Über ihr Regiment.
aneinander

Die Frauen trennen sich voneinander.
getrennt

Die Königin präsentiert sich. Sie steht im Licht. Rings um sie ihr Volk. Sie lächelt mit geschlossenem Mund. Hebt ihre Arme, winkt leicht dem Volk zu. Sie wirkt wie eine Marionette. Es wird ihr gesagt, was sie tun soll. Ihre Bewegungen Puppenhaft.
Chuck morris

Während die eine erzählt, agiert die andere. Es erinnert ein wenig an ein Hörspiel. Je mehr erzählt wird, desto mehr stellt man sich vor. Obwohl auf der Bühne nur eine Frau zu sehen ist, stelle ich mir ein Volk vor. Ein Volk, das zu ihr aufsieht. Ich sehe die Königin in ihrem Kleid. Sehe ihr Lächeln. Ich denke mir Dinge dazu. Die Illusion der prachtvollen, perfekten Königin wird jedoch zerstört. Ich höre: „Die Königin muss eigentlich aufs Klo. Sie muss sich noch etwas gedulden.“
im Licht

„Souvereines“ wird vor allem durch die Lichtspiele, die Sounds und die tolle Performance von Chuck Morris interessant. Denn auf der Bühne selbst sieht man meist nur langsame Bewegungen. Frauen die ausdruckslos in die Leere starren. Frauen die sich ankleiden. Frauen die tanzen. Es passiert alles sehr langsam und durchdacht. Ernst. Die Worte wirken starr. Emotionslos. Ein eingeübter Sprechgesang. Synchronität. Mann muss hinsehen. Hinhören. Doch man versteht nicht.
beim anziehen

Die Königin hat sich angekleidet. Die Königin stellt sich vor. Chuck Morris tanzen, zu zweit in einem Kostüm. Rücken an Rücken. Beeindruckend.
Die Königin

Die Königin ist niemals allein. Sie wirkt schizophren. Doch am Ende des Stückes wird man alleine gelassen. Die Königin tritt ab. Das Publikum fragt sich, was gerade passiert ist. Die Idee gut. Die Lichter, Sounds und Sprechsituationen fabelhaft. Die Bewegungen zusammen, beeindruckend. Die Sprache, interessant. Doch etwas fehlt. Der Zusammenhang. Die Spannung. Die Dramaturgie. Sehenswert ist es dennoch.
Die Königin

Um zu klären, warum zwei Personen eine Königin präsentieren, möchte ich eine Antwort aus dem Interview mit Chuck Morris zitieren, welches von Eva Kleinschwärzer und Nathalie Knoll geführt wurde:

Inspiriert hat uns dabei die Aussage, dass Königinnen einen natürlichen und einen politischen Körper haben. Das kann man auf zwei Ebenen verstehen. Einerseits, dass der Körper der Frau sowohl privat als auch öffentlich existiert. Andererseits, dass der natürliche Körper vergänglich ist, während der politische Körper von Herrscher zu Herrscher weitergereicht wird. So entsteht auch das moderne Bürgersubjekt, wo jeder seinen Status, seine Rechte und Pflichten hat und so entstehen auch hier ein privater und ein öffentlicher Körper, diese beiden sind quasi untrennbar. Auch bei Königinnen verschmelzen diese Körper, denn um politisch wirksam zu sein, muss der private Körper immer noch gebären können. Wer in unserem Fall was repräsentiert, bleibt der Überlegung des Zuschauers überlassen.

(Fotos und Bericht von Petra Gschwendtner; Aufführung Souvereines – Chuck Morris vom 16.04 im brut Wien)

Auf die Plätze, fertig, küssen!

12 Apr
Heute steht wieder einiges auf dem Programm. Unter anderem auch die Performance Romantic afternoon*“ von Verena Billinger & Sebastian Schulz.

Zu sehen: Heute am 12.04 um 21:00 Uhr
Morgen am 13.04 um 21:00
Wo? Künstlerhaus

Billinger & Schulz: ROMANTIC AFTERNOON *; Copyright: Gerhard F. Ludwig

Billinger & Schulz: ROMANTIC AFTERNOON *; Copyright: Gerhard F. Ludwig

In der Beschreibung ist zu lesen:

Sechs PerformerInnen küssen sich ununterbrochen, schlingen die Arme umeinander, halten sich fest, tauschen PartnerInnen aus und simulieren Intimität. Die Küsse sind nah, innig, distanzlos, flüchtig, leidenschaftlich, sie provozieren spontane Einfühlung, Voyeurismus, Scham, Abwehr und Schmunzeln. Küsse werden zu Zeichen – und diese lassen sich nicht mehr lesen. Entschlüsselt werden Gefühle, die nicht da sind, Haltungen, die nur äußerlich eingenommen sind, und Affekte, die nur künstlich geweckt werden. Diese Choreografie wird zu einer exzessiven Ausdrucksmaschine, welche die medial und künstlerisch vermittelten Intimitäten ad absurdum führt. ROMANTIC AFTERNOON * entschleiert Mechanismen einer inszenierten Öffentlichkeit, produziert Scham durch Schamlosigkeit und fragt nach den Bedingungen der Möglichkeit echter Gefühle.

Küssen ist für uns etwas intimes. Wir küssen nicht jeden. Wir küssen meist nur Menschen die wir lieben. Bei uns wird oft in er Öffentlichkeit geküsst. Meist jedoch nur ein Bussi auf den Mund. Zungenküsse finden zuhause statt, dort wo sie keiner sehen kann. Oder auf Partys, nach dem Alkoholkonsum, wenn die Hemmungen fallen. Küssen ist bei uns alltäglich. Dennoch schaut man hin, wenn sich ein frisch verliebtes Pärchen auf der Straße küsst. Man ist und bleibt Voyeur.

Der Kuss gilt in vielen Kulturen als Ausdruck von Liebe, Freundschaft und Ehrerbietung. Küssen in der Öffentlichkeit ist nicht in jeder Kultur erwünscht beziehungsweise erlaubt. Bei uns ist ein Kuss Ausdruck von Liebe und Zuneigung; er ist aber auch etwas sexuelles.

Ein Kuss ist in vielen Situationen möglich und kann so einiges bedeuten:

  • Der Kuss, um sich Liebe zu zeigen.
  • Der Kuss zur Begrüßung und zum Abschied. Man denke nur an das Küsschen rechts und links, dass seit einiger Zeit auch bei uns Fuß gefasst hat.
  • Der Kuss als Zeichen der Verehrung. Wenn Männer die Hand der Frau küssen. Oder Untertanen früher die Hand des Königs.

Der Kuss spielt auch in einigen Märchen wie Dornröschen, oder in der Kunst, wie „Der Kuss“ von Gustav Klimt zeigt, eine wichtige Rolle.

Wir können also gespannt sein, wie der Kuss in dieser Performance inszeniert wird. Es gibt schließlich viel Möglichkeiten und Bedeutungen eines Kusses. Review folgt dann morgen.

„Ich rufe nun den Notstand aus! Notstand für alle!“

9 Apr
Der Wind weht einem stark um die Ohren. Vor dem brut tummeln sich einige Leute: Einige wollen ins brut, die anderen wiederum ins Musikvereinshaus nebenan. Es ist kurz vor 19:00 Uhr. Eva vom brut verteilt Zettel an die umstehenden Personen. Getuschel und Getratsche. Plötzlich ertönt ein Jagdhornsignal. Aus dem Inneren des brut tritt eine Frau heraus. Schwarzer Rock, schwarze Jacke, Hut, alles im Trachtenstil gehalten. Bewaffnet mit Horn und Lautsprecher geht sie auf den hölzernen Hochsitz zu. Es wird stiller im Publikum. „Wir haben uns hier versammelt…“ beginnt Barbara Ungepflegt die Rede. Und eröffnet mit dieser Rede nicht nur die temporäre Installation, sondern auch das Freischwimmer Festival 2011 im brut Wien. Das Motto des Notstandes lautet: „Raus aus dem Alltag, rein in den Notstand!“

Betreten des Notstandes verboten
„Betreten des Notstandes verboten. Eltern verhaften ihre Kinder.“

Der Notstand
Der Notstand als Hochstand.

Barbara Ungepflegt
Barbara Ungepflegt hält eine feierliche Rede.

Ein bisschen Notstand für alle!
Barbara Ungepflegt ruft den Notstand aus: „Notstand für alle!“ Zur Feier des Tages singt sie kleines Ständchen und bittet anschließend alle Anwesenden, gemeinsam mit ihr die Teilnahmebedingungen zu verlesen, die zuvor verteilt wurden. Unter die Bedingungen haben sich auch Gewinnspiel-Zettel gemischt. Der Preis: Eine Nacht im Notstand inklusive Candlelight-Dinner für eine Person. Durch das gemeinsame Lesen entsteht ein zögerlicher Sprechgesang:

Ich bin mir vollständig bewusst, dass die Begehung des HOCHSTANDES hohe physische und psychische Anforderungen an mich stelt und dass ich bei der Benützung der Leiter / HOCHSTANDES schwer verletzt werden kann. Ich bin mir den Anforderungen und des Verletzungsrisikos bewusst und betrete den HOCHSTAND freiwillig und auf eigene Gefahr …

Teilnahmebedingungen
Wir lesen gemeinsam die Teilnahmebedingungen.

Barbara Ungepflegt durchschneidet das rote Band
Barbara Ungepflegt durchschneidet das rote Band: Der NOTSTAND ist eröffnet.

Nach dieser öffentlichen Erklärung und Zustimmung der Beteiligten ist es auch schon soweit. Barbara Ungepflegt eröffnet den NOTSTAND und steigt selbst empor. Anschließend wird das Publikum aufgefordert, den NOTSTAND zu betreten, natürlich nur mit einer „behördengerechten Sicherung“, meint Barbara im Gespräch. „Die Behörden“, sagt sie und lächelt.

Der erste Notstands-Gast
Eine behördengerechte Sicherung der Besteiger ist wichtig.

auf den HOCHSTAND
Der erste Gast besteigt den NOTSTAND.

Immer in der Rolle
Barbara Ungepflegt bleibt auch im Gespräch in ihrer Rolle. Das Vortragen der Rede wirkte zunächst etwas befremdlich und ungewollt, da sie Wort für Wort vom Zettel ablesen musste. Anschließend jedoch beweist Barbara Situationskomik und Spontanität, ohne dabei aus der Rolle zu fallen. Stark, nüchtern und gelassen kommentiert sie sich selbst und die Situationen, in die sie sich begibt.

Der NOTSTAND ist eine temporäre Installation, die derzeit vor dem brut (Karlsplatz 5) ihren Platz gefunden hat. Die Installation kann jederzeit betrachtet werden. Fast täglich spielt Barbara Ungepflegt ab 19:00 Uhr mit dem NOTSTAND. Dieser kann auf eigene Gefahr auch betreten werden (siehe Teilnahmebedingungen). Spannend ist hierbei, dass sich das „Stück“ und der NOTSTAND im Laufe der Woche verändern werden. Man kann also gespannt sein.

Publikumsfetzen
Stimme 1: „Also so ungepflegt sieht sie gar nicht aus.“
Stimme 2: „Es ist mir halb improvisiert vorgekommen. Es war offensichtlich eine Parodie, hat aber nicht aufgesetzt gewirkt.“
Stimme 3: „Es hat so gewirkt, als würde sie einen Scheiß drauf geben, was die Leute denken.“

Mehr Fotos auf Flickr.
(Bericht und Fotos von Petra Gschwendtner)