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Ihre Majestät, die Königin.

17 Apr
Ich stehe im Foyer und warte auf den Beginn der Vorstellung. Zwei Frauen bewegen sich die Stufen herab und beginnen zu sprechen: „Die Königin wird Sie bald in Empfang nehmen.“ Wir bekommen Anweisungen. Dunkle Kleidung rechts, helle Kleidung links. „Seien Sie sie selbst“, meinen die Damen zum Abschluss und verschwinden wieder. Erst jetzt bemerke ich das Glockenspiel, und frage mich, woher es kommt. Hat das Stück etwa schon begonnen?

„Sie ist schön, reich, großherzig, talentiert und mächtig.“ Die Rede ist von der Königin. Zwei Frauen sitzen aneinander gebunden auf einem Podest. Sie sprechen über die Königin. Über ihre Eigenschaften. Abgehackt. War das etwa ein Fehler? Sie sprechen über die Herkunft der Königin. Über ihr Regiment.
aneinander

Die Frauen trennen sich voneinander.
getrennt

Die Königin präsentiert sich. Sie steht im Licht. Rings um sie ihr Volk. Sie lächelt mit geschlossenem Mund. Hebt ihre Arme, winkt leicht dem Volk zu. Sie wirkt wie eine Marionette. Es wird ihr gesagt, was sie tun soll. Ihre Bewegungen Puppenhaft.
Chuck morris

Während die eine erzählt, agiert die andere. Es erinnert ein wenig an ein Hörspiel. Je mehr erzählt wird, desto mehr stellt man sich vor. Obwohl auf der Bühne nur eine Frau zu sehen ist, stelle ich mir ein Volk vor. Ein Volk, das zu ihr aufsieht. Ich sehe die Königin in ihrem Kleid. Sehe ihr Lächeln. Ich denke mir Dinge dazu. Die Illusion der prachtvollen, perfekten Königin wird jedoch zerstört. Ich höre: „Die Königin muss eigentlich aufs Klo. Sie muss sich noch etwas gedulden.“
im Licht

„Souvereines“ wird vor allem durch die Lichtspiele, die Sounds und die tolle Performance von Chuck Morris interessant. Denn auf der Bühne selbst sieht man meist nur langsame Bewegungen. Frauen die ausdruckslos in die Leere starren. Frauen die sich ankleiden. Frauen die tanzen. Es passiert alles sehr langsam und durchdacht. Ernst. Die Worte wirken starr. Emotionslos. Ein eingeübter Sprechgesang. Synchronität. Mann muss hinsehen. Hinhören. Doch man versteht nicht.
beim anziehen

Die Königin hat sich angekleidet. Die Königin stellt sich vor. Chuck Morris tanzen, zu zweit in einem Kostüm. Rücken an Rücken. Beeindruckend.
Die Königin

Die Königin ist niemals allein. Sie wirkt schizophren. Doch am Ende des Stückes wird man alleine gelassen. Die Königin tritt ab. Das Publikum fragt sich, was gerade passiert ist. Die Idee gut. Die Lichter, Sounds und Sprechsituationen fabelhaft. Die Bewegungen zusammen, beeindruckend. Die Sprache, interessant. Doch etwas fehlt. Der Zusammenhang. Die Spannung. Die Dramaturgie. Sehenswert ist es dennoch.
Die Königin

Um zu klären, warum zwei Personen eine Königin präsentieren, möchte ich eine Antwort aus dem Interview mit Chuck Morris zitieren, welches von Eva Kleinschwärzer und Nathalie Knoll geführt wurde:

Inspiriert hat uns dabei die Aussage, dass Königinnen einen natürlichen und einen politischen Körper haben. Das kann man auf zwei Ebenen verstehen. Einerseits, dass der Körper der Frau sowohl privat als auch öffentlich existiert. Andererseits, dass der natürliche Körper vergänglich ist, während der politische Körper von Herrscher zu Herrscher weitergereicht wird. So entsteht auch das moderne Bürgersubjekt, wo jeder seinen Status, seine Rechte und Pflichten hat und so entstehen auch hier ein privater und ein öffentlicher Körper, diese beiden sind quasi untrennbar. Auch bei Königinnen verschmelzen diese Körper, denn um politisch wirksam zu sein, muss der private Körper immer noch gebären können. Wer in unserem Fall was repräsentiert, bleibt der Überlegung des Zuschauers überlassen.

(Fotos und Bericht von Petra Gschwendtner; Aufführung Souvereines – Chuck Morris vom 16.04 im brut Wien)

CMMN SNS PRJCT in Bildern

13 Apr
Gestern habe ich mir das CMMN SNS PRJCT von Laura Kalauz und Martin Schick angesehen.

Der Teaser zum Stück lautet:

CMMN SNS PRJCT beschäftigt sich mit Zwischenräumen im sozialen Beziehungsnetz. Welche Konventionen, Gewohnheiten und stillen Vereinbarungen bestimmen das menschliche Handeln und Denken im Angesicht eines Gegenübers? Laura Kalauz und Martin Schick heften sich an die Spuren des „common sense“ und gehen abseits des ökonomischen Profitgedankens neuen Verhaltenskategorien auf den Grund. In einer Ode an die Unvollständigkeit werden Zuschauer- und Bühnenraum zum Schauplatz einer Verhandlung über eingefahrene Verhaltens- und Denkweisen, in der Vertrautes und Ungewohntes aufeinandertreffen.

Da sehr viel in relativ kurzer Zeit passiert ist, werde ich keine klassische Kritik schreiben, sondern das ganze anhand von Bildern anschaulicher machen:

Laura Kalauz und Martin Schick stehen auf der Bühne. Beide tragen lediglich Unterwäsche und sehen uns, dem Publikum, beim Einnehmen der Plätze zu. Danach bieten sie uns Gegenstände an. Who wants that? Es wird seichte, fröhliche Kaufhausmusik im Hintergrund gespielt.
Who wants that?

Es sind Alltagsgegenstände. Von der Klobürste über Haarshampoo bis hin zur Teetasse und zum Toaster. Es ist alles dabei. Für beinahe jeden Gegenstand findet sich jemand im Publikum, der ihn will. Fast nichts bleibt übrig.
And this?

Die Sachen, die dann aber doch übrig bleiben, werde in Pakete verpackt. Laura erklärt, dass diese Gegenstände wieder in ihr Herstellungsland zurück gebracht werden müssen.
Post

Nachdem sie ihre Dinge verschenkt haben, möchten sie etwas vom Publikum haben: Kleidung. Martin bietet im Gegenzug Geld an. Der erste Zuschauer will seinen Gegenstand wieder zurückgeben.
Buy clothes

Laura und Martin verschwinden für einen kurzen Moment und kommen angezogen wieder zurück auf die Bühne. Sie reden über Liebe und Laura meint zu Martin: „You love talking nonsense.“
dressed

Martin geht zum Podest.
speech

„I want to share something with you …“ Beide lesen kurze Texte vor, sie zitieren, ohne den Urheber zu nennen. Nach dem Vorlesen verteilen sie die Texte im Publikum.
i want to share sth with u

Die Musik stoppt. Laura und Martin beginnen zu tanzen.
dance

Nach der etwas holprig wirkenden Tanzeinlage, beginnt eine Auktion.
auction

Unter den Hammer kommt die CMMN SNS PRJCT – Lizenz. Die Bedingungen und das Kleingedruckte werden auf eine Tafel projiziert.
contract

Martin präsentiert den Vertrag, natürlich total sexy.
contract presentation

Um 50 Euro wird dieser dann an einen jungen Mann im Publikum verkauft.
buy it?

Die beiden geben dem Publikum immer wieder Rätsel auf. Sie spielen, ohne Ankündigung, Filmszenen nach, wie beispielsweise aus “Titanic”. Das Publikum muss erraten, um welchen Film es sich handelt. Wird die Szene nicht erraten, wird diese solange wiederholt, bis das Publikum die richtige Antwort errät. Für jede richtige Antwort bekommt man ein Billet. Am Schluss wird der Gewinner des Spiels gezogen.
sexy

Abschließend wird eine Liste der Ausgaben und Einnahmen des Abends erstellt. Martin hat Schulden und für die Hose, die er von einer Dame aus dem Publikum bekommen hat, bezahlt. Nach der Kostenaufstellung steht jedoch fest, dass sie zu viel Geld haben. Sie fragen das Publikum, was mit dem Geld passieren soll. Die Gewinnerin des Spiels will alles für sich. Eine, die Kleidung geborgt hat, will nun doch Geld dafür. Ein anderer schlägt vor, dass wir an der Bar für alle Zuschauer Bier kaufen sollten.
CMMN SNS PRJCT money

Es ist absurd. Plötzlich will jeder etwas vom Kuchen haben. Es wird abgestimmt, den meisten im Publikum ist es egal. Daher legt Martin das Geld auf den Boden und geht. Einer aus dem Publikum steht prompt auf, um sich sein geborgtes Geld zurück zu holen. Ende.
CMMN SNS PRJCT in & out

„I want no debts.“
Es passiert unglaublich viel. Das CMMN SNS PRJCT lebt vom Publikum und genau das hat gestern gut gepasst. Die Leute haben sich darauf eingelassen. Sie haben mitgespielt ohne wirklich zu wissen, dass sie mitspielen. Martin will etwas haben, als sich Laura etwas wieder zurück nimmt. Laura meint: „I’ll give you something“, und gibt Martin eine Ohrfeige. Dieser blutet ein wenig und möchte ein Taschentuch aus dem Publikum haben. Ein junger Mann gibt ihm eines. Martin meint „What do you want? I want no debts.“ Er schlägt vor, 20 Cent für das Taschentuch zu bezahlen, diese muss er sich jedoch von jemand anderem im Publikum leihen. Die 20 Cent will er jedoch zurück zahlen. Aus 20 werden 50 Cent. Am Ende sind es 20 Euro.

In einer anderen Szene sprechen Laura und Martin über Ownership und zitieren aus der Bibel. Laura fragt: „My mind is not mine?“ An einer anderen Stelle machen sie den Text und das Stück selbst zum Thema.

Sehen und bestaunen
Die Performance beinhaltet viele Themen, am Ende wird der Zuschauer jedoch im Regen stehen gelassen. Viele verschiedene Aspekte werden in einen Topf geworfen, umgerührt und ausgespuckt. Das Ganze wird unterhaltsam präsentiert. Wenn man rausgeht, ist man dennoch etwas verwirrt. Es sind viele Eindrücke, die erst einmal verarbeitet werden müssen. Kalauz und Schick schaffen es jedoch, das Publikum von der ersten Sekunde an zu fesseln. Man will gar nicht mehr wegsehen. Man baut eine Beziehung zu ihnen auf. Man vertraut ihnen auch. Unterhaltsam, interessant, spannend und bestimmt jeden Tag anders. Absolut sehenswert!

Mehr Fotos gibt es auf Flickr zu sehen.

Heute, 13.04, wird CMMN SNS PRJCT um 19:00 Uhr im Konzerthaus ein weiteres Mal aufgeführt.

UPDATE: (23. Mai 2011) Leider mussten die Bilder offline genommen werden.